Moto Guzzi V 11 Le Mans aus KRADBLATT 12-01
Text: Ulrich Hoffmann
Fotos: Ingo Lammert
{multithumb popup_type=none enable_thumbs=0 resize=0 }Italienische Motorr�der haben etwas Besonderes. Nicht nur, dass sie immer ein wenig exotisch aussehen. Sie fahren sich auch anders. Fahren Sie ein Runde auf der neuen Moto Guzzi V11 Le Mans mit und erleben Sie den besonderen Glanz auf den Schwingen des neuen Adlers.Heute steht die neue Moto Guzzi V11 Le Mans vor mir. Welch klangvoller Name. Damals, das war vor ziemlich genau 25 Jahren, wurde die erste Le Mans mit noch 850 Kubikzentimetern auf dem Mail�nder Motorradsalon pr�sentiert. Ein Motorrad wie aus dem Vollen geschnitzt und dennoch sportlich bis in die Spitze der Drehzahlmessernadel. Auf der einen Seite der schon Mitte der siebziger Jahre dezent barock anmutende V2-Motorblock, auf der anderen Seite die Beschr�nkung der restlichen Bauteile auf ihre mehr oder weniger pragmatische Funktion. Es war genau diese beinahe unbegreifliche Schlichtheit, die in Verbindung mit den sicheren Fahreigenschaften f�r den Esprit sorgten, von dem noch heute die gesamte Marke zehrt.
>>Die Magie
Sportlichkeit wird bei Moto Guzzi seit jeher ein wenig anders interpretiert. Nicht �bertriebener Leichtbau bis hin zum empfindlichen Nervenkost�m, nicht purer Leistungsfetischismus, der im aggressiven Adrenalin-Kick jenseits von Gut und B�se gipfelt und auch nicht sch�chternes Multi-Zylinder-Ges�usel deutet auf die Akzeptanz der g�ngigen Tischmanieren hin. Eine Guzzi poltert, grummelt und stampft zugleich. Zum Gl�ck, denn damit verf�gt auch die neue V11 Le Mans �ber jene magische Art, die ihren Fahrer in einen unerkl�rlichen Bann zu ziehen scheint.
Auch ich stehe nicht morgens mit einem Hofknicks vor meiner Frau und bedanke mich f�r den frisch gekochten und k�stlich duftenden Kaffee. Ein kurzes �Danke" und eine entspannte Miene m�ssen meist reichen. So auch der erste Tagesritt mit der V 11 Le Mans, fr�hmorgens um 8 Uhr, auf dem Weg ins B�ro. Per Handschlag nehme ich die beiden Leichtmetall-Stummel in die H�nde, lasse meinen Blick kurz �ber die �ppig geformte Taille wandern und ziehe gleichzeitig die linksseitige Starthilfe. Sie ist schon ein gro�es Motorrad. Ein bisschen wie eine Rubensfrau vielleicht ...
So mag der Start des 91 PS-starken V2 durchaus allt�glich aussehen und ist es doch nicht wirklich. Es ist ein kurzer Akt, eine unsichtbare Zelebration, bis der Anlasser den m�chtigen Kurbeltrieb in Schwung gebracht hat. Nach zwei, drei kurzen Gasst��en wummern die beiden im 90�-Winkel zueinander angestellten Kolben immerhin satte 8 Zentimeter auf und ab. Ein Gef�hl, als sei man gerade nach Hause gekommen - willkommen in der Guzzi-Welt. Der Motor l�uft nicht einfach. Er lebt und bebt mit jedem Atemzug den er durch die gro�en Schl�nde die Umgebungsluft samt eingespritzem Kraftstoff inhaliert, sie sattsam verbrennt und anschlie�end schmatzend in Rotationsenergie zum Antrieb der l�ngslaufenden Kurbelwelle umwandelt. Das ist Guzzi pur. Mit jedem Gassto� will das R�ckdrehmoment die Maschine nach rechts kippen, so als wolle sie sagen: �Ja, ich bin wach. Lass uns endlich fahren."
>>Mitten im Leben
Sorgf�ltig wird die Guzzi in Position gebracht, um anschlie�end gem�chlich anzurollen. Und das hat keineswegs etwas mit den fahrfertig 246 Kilogramm zu tun. F�r eine Maschine aus Mandello del Lario, dem Geburtsort einer jeden Moto Guzzi, ist sie sogar �u�erst einfach zu man�vrieren. Souver�n rasten s�mtliche G�nge ein, wenngleich sich ein Vergleich mit fern�stlicher Konkurrenz von vornherein verbietet. Schlie�lich sind wir hier nicht auf dem Laufsteg, sondern mitten im richtigen Leben. Doch das Sechsgang-Getriebe der Le Mans ist etwas Besonderes. Dank patentiertem Vierwellen-Technik sparte man trotz zus�tzlichem sechsten Gang eine Baul�nge von beachtlichen sieben Zentimetern. Angenehm leise findet der erste Gang seine Arretierung im Zahnradsortiment. Die hydraulisch bet�tigte
Zweischeiben-Trockenkupplung ist ebenfalls fein zu dosieren. So gut sogar, dass ich mich regelm��ig dabei ertappe, wie ich im zweiten Gang anfahre. Diese Eigenheit kennt man sonst auch von Harley-Fahrern. Zurecht, denn auf diese Art kommt man gleich beim Anfahren in den vollen Genuss der balsamierenden Guzzi-Atmosph�re durch eine einzigartigen Ger�uschkulisse. Auf bessere Beschleunigungswerte verzichtet man daf�r gern. Mit untertourigem Pulsschlag und weich polterndem V2 zieht die 1100er b�rig an. W�hrend des Kupplungsschleifens vernimmt man das silberhelle Schleifger�usch der Kupplungsmimik - eine prickelnde Mischung. Ab Leerlaufdrehzahl kann bequem angefahren werden. Jammerschade nur, dass sich dieser Klang so schwer auf Papier drucken l�sst ...
>>Brummb�r oder Raubtier?
Schon nach wenigen hundert Metern kann die Starthilfe ganz zur�ckgeschoben werden - wenn's nicht schon von allein geschehen ist. Der OHV-Motor l�uft nach k�rzester Zeit rund, wobei der wei� unterlegte Drehzahlmesser bei bei 1000 U/min verharrt und durch eine stoische Ruhe gl�nzt. Mit dem Blick �ber die rahmenfest montierte Halbschale und gem��igt-sportlicher Sitzposition beugt man sich �ber den langen Tank. Langsam keimen sportive Gel�ste auf. Das kommt nicht von Ungef�hr, denn der Einspritzer h�ngt exzellent am Gas. Spontan und willig wei� er binnen Sekunden zwischen gem�tlichem Brummb�r und grollendem Raubtier umzuschalten. Kaum zu glauben, wie flott sich die Le Mans um die Ecken biegen l�sst. Doch das geht nicht einfach so, nicht wie bei einer Fireblade, einer ZX-9 R oder der pfeilschnellen GSX-R 1000, die allesamt quasi wie von selbst ihre Linie finden. Nein, eine Le Mans will gef�hrt werden und l�uft dann am besten, wenn sie so oft wie m�glich unter Zug gehalten wird. Dann er�ffnet sich dem Guzzisten jene Dimension, die schon der legend�ren 850 Le Mans zu historischem Ruf verholfen hat.
Doch gibt sich die heutige 1100er um Welten seri�ser und umg�nglicher - einfach besser. Insbesondere im direkten Vergleich mit der Vorjahres-V11 Sport, die noch unter Regie der alten Moto Guzzi-Zentrale in Hammelbach eingef�hrt wurde. Schnelle Autobahn-Etappen waren bis dato nicht gerade ihre Dom�ne. Zu sensibel reagierte das handliche Fahrwerk auf St�reinfl�sse jeglicher Art. Seitdem jedoch der deutsche Aprilia-Importeur seine kundigen Finger im Spiel hat, l�uft die V11 absolut stabil. Zu den einschneidenden �nderungen geh�rt beispielsweise der um 20 Millimeter verl�ngerte Radstand und die breitere 5,5"-Felge, die endlich stabilere Breitreifen aufnehmen kann. Zwischendrin sorgt noch eine stabile Rahmenstrebe f�r mehr Stabilit�t - das war's schon. Zumindest im Groben. Die neue geschnittene Verkleidung bietet oben- drein sehr guten Wind- und Wetterschutz.
>>Ein echter Sportsfreund
Die m�chtige Momentenabst�tzung am Hinterrad und die lange Schwinge verhelfen der Le Mans zu einem sehr ausgewogenen Fahrverhalten. So f�hrt die V11 auch bei Topspeed von 235 km/h absolut sicher geradeaus und gef�llt trotzdem durch ein �berzeugendes Handling. Die verstellbaren Federelemente von White Power (hinten) und Marzocchi (vorn) decken einen sehr breiten Bereich ab. Die sportliche Grundabstimmung wirkt speziell am Heck zwar manchmal als zuviel des Guten, doch ist sie erforderlich, um die noch verbleibenden Kardanreaktionen wirkungsvoll zu lindern. Komplettiert wird das Ganze noch durch einen variablen Bitubo-Lenkungsd�mpfer, den man auch gut w�hrend der Fahrt justieren kann. Bravo!
In den Kurven f�hrt die Le Mans mit den aufgezogenen Bridgestone Battlax BT020 auf neutraler Linie. Bestenfalls ein leichtes Untersteuern kann bei schnell aufeinander folgenden Richtungswechseln festgestellt werden. Wer sehr z�gig unterwegs ist, hat dennoch Grund in Linkskurven nicht bis an deren Haftgrenze zu gehen: Der abstehende Seitenst�nder setzt noch vor den Fu�rasten auf und fungiert so als unnachgiebiger Hebel zum vorzeitigen Katapult ins Aus. Ein unlogischer Sch�nheitsfehler sind auch die nahezu ungesch�tzten Gleitfl�chen der 40er-Upside-Down Gabel. Ein in diesem Bereich h�her gezogener Vorderrad-Kotfl�gel w�rde die freiliegenden Gleitrohre wirkungsvoll vor Steinschlag und Insekten sch�tzen.
Daf�r hinterl�sst die 320er-Brembo-Goldline-Bremsanlage einen sehr wertigen Eindruck. Von strammer Hand bet�tigt, l�sst sie sich bestens dosieren und liefert vorz�gliche Verz�gerungswerte. Am Heck findet der Fahrer einen tatkr�ftigen Kompag-non, den man besonders im Zweipersonen-Betrieb gern als bequeme Unterst�tzung in Anspruch nimmt. Was letztendlich fehlt, ist ein geregelter Kat.
>>Fazit
Die neue V11 Le Mans tr�gt ihre Zusatzbezeichnung zurecht und bringt beste Voraussetzungen mit, der Marke zu erneutem Glanz zu verhelfen. Wer gro�en Wert auf eine effiziente Technik und jede Menge Esprit legt, findet in ihr einen Begleiter, den man mit Sicherheit nicht an jeder zweiten Eisdiele sieht. 22.700 Mark gehen angesichts der gelungenen Synthese aus charismatischem Charme und den sehr ordentlichen Fahrleistungen v�llig in Ordnung. Wer's lieber nackt mag, bekommt die neue V11 auch als 800 Mark g�nstigeres Modell �Sport Naked".
V11 Le Mans test (D)
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