Lesererfahrung:
Moto Guzzi V 50
aus KRADBLATT 05/03
von Michael Makarczuk
Sie: âWir könnten ja auch mal wieder ...".
Er: âWas denn, Schatz?"
Sie: â...na, mal wieder ein Motorrad fahren".
Er: âWas denn für eins?"
Sie: âWas kleines, zuverlässiges japanisches vielleicht. Jedenfalls eine die ich auch fahren kann"
Er: âOh ja, da ist eine Guzzi genau das Richtige!" und er grinst still vor sich hin.
Die
Idee reift noch drei Wochen, bis mir auf der Tankstelle die
Pflichtlektüre der Kradler in die Finger gerät. Keine kleine Moto Guzzi
im Privatangebot. Ein paar Händler gibt es ja, und tatsächlich hat da
doch ein Markenhändler mit Meisterwerkstatt und Internetadresse eine V
50 III, italienischer Import, 29.000 km, Baujahr 1982 für 1.999 Euro im
Angebot. Mit leuchtenden Augen geht es ab ins www. Die Home-Page macht
keinen schlechten Eindruck. Da ist sie mit Bild: Sie soll im
Originalzustand und mit groÃer Inspektion abfahrbereit dastehen.
Schnell sind die Würfel gefallen: Die oder keine.
Ich erfahre, dass
500 Euro Anzahlung fällig sind. Ãber den Preis will man nicht mehr
verhandeln, schlieÃlich werde jede Maschine mit neuer Batterie,
deutschem Brief und einer erneuten Ãbergabeinspektion ausgehändigt.
Probefahrt? Mit groÃer Inspektion, Ãbergabeinspektion, TÃV und neuer
Batterie aus einer Meisterwerkstatt - was kann da schief gehen? Brauche
ich also nicht, schlieÃlich habe ich auch schon mal drei Jahre eine Le
Mans gehabt und weià wie âne Guzzi fährt.
Am nächsten Tag schicke ich den Ãberweisungsbeleg für die Anzahlung und
die Auftragsbestätigung per Fax an den Meisterbetrieb meines
Vertrauens. Aus dem vereinbarten Abholungstermin wird allerdings erst
einmal nichts, weil die Behörden mit dem Brief trödeln. Also Urlaub
verschieben und in froher Erwartung auf die nächste Woche hoffen.
Dann steht der Termin. Nach freitäglichem Stauerlebnis zwischen
Osnabrück und Münster komme ich um 16 Uhr mit Frau und Kind bei dem
Markenhändler mit Meisterwerkstatt meines Vertrauens an. Nachdem wir
die Restsumme von 1.499 Euro bezahlt haben, bietet mir der Händler ein
Werkstatthandbuch mit allen wichtigen Daten zur Pflege und Wartung
feil. Gute Idee, denn korrekt pflegen will ich mein neues Kleinod ja.
Nummernschild angeschraubt, Klamotten angetakelt, Helm auf und los
geht's. Denkste. Ne, erstmal tanken! Ohne Bezin geht nichts, auch mit
dem abfahrbereiten Objekt meiner Begierde nicht. Und dann ist da ja
noch der Bleiersatzstoff - die Droge des Oldtimer-Fahrers. Gut, dass es
alles gegenüber der Fachwerkstatt meines Vertrauens gar nicht einmal
teuer zu erstehen gibt.
Sonne von der Seite, Wind von hinten, die 15 Jahre alte Lederhose passt
noch und unter mir schnorchelt das bildschöne Produkt italienischer
Fahrzeugbauer durch das Münsterland.
Bei der ersten Rast entdecke ich dunkle Tropfen auf der
Hinterradschwinge? Das ist wohl überschüssiges Motoröl aus der
Motorgehäuse-Entlüftung. Klar, nach einer groÃen und einer kleinen
Inspektion muss, was zu viel ist, raus. Don't panic!
Dammer
Berge. Die zweite Rast nach zwei Stunden Stau. Die Ãltropfen auf der
Hinterrad-Schwinge haben Junge bekommen, aber nur ein paar.
Für die
letzte Etappe in die Heimat braucht der Anlasser etwas Zuspruch. Vier
Hände und ein kleiner Schubs bringen mich wieder auf Heimatkurs.
Am nächsten Morgen nehme ich die Elektrik rund um den Anlasser zur
gründlichen Reinigung auseinander. Das wirkt besser als der
Gummi-Hammer. Alles klappt tadellos und man kann die Batterie
tatsächlich so anklemmen, dass die Gummi-Kappen der Pole wieder passen.
Auf Knopfdruck grummelt die Schönheit wieder sauber vor sich hin. Bei
der Gelegenheit habe ich gleich den Schlauch der Motorentlüftung
verlängert. Dieser endete vor meinem Eingriff kurz hinter der Batterie
auf der linken Seite.
Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, und ich mache die ersten Touren mit den Kindern.
Montag früh: Ich starte zum Broterwerb. Natürlich ist es kalt und
feucht, aber ich bin hart und habe ja ein neues Spielzeug, dass
allerdings plötzlich nur auf einem Zylinder blubbert. âItalienische
Verkabelung", denke ich und plane die nächste Bastel-Einheit ein. Nach
einigen Augenblicken ist der zweite Pott da und es geht los. Auf meinem
Weg zur Arbeit beschleichen mich Gedanken an den Fachhändler meines
Vertrauens mit Meisterwerkstatt. Naja, nobody is perfect, das krieg ich
schon hin.
Nach zwei vergeblichen Fummel-Einheiten an den Kabeln stelle ich fest,
dass die Zündkerzen zwar neu sind, aber die rechte nicht fest
eingeschraubt ist. Kann auch ganz reingedreht werden, ist doch auch
ganz bezahlt. Ich frage mich: Was ist eigentlich eine
Ãbergabe-Inspektion? Die Anlaufschwierigkeiten sind noch nicht behoben.
Ein Kondensator der Zündung scheint defekt. Das Kabel des Unterbrechers
lässt sich nur sehr schwach anschrauben. Das Gewindestück dreht mit.
âNa also!", denke ich. Nach vorsichtiger Reinigung aller Bauteile
starte ich den Motor. Beide Pötte laufen, zwar nicht rund, aber sie
laufen.
Bei diesen Aha-Erlebnissen lerne mein Motorrad im âOriginalzustand"
kennen. Die eingebauten K&N-ähnlichen Luftfilter sind zu lang und
drücken gegeneinander. Die Vergaser sitzen dadurch leicht schräg auf
den Ansaugstutzen. Die Mazzochi-StoÃdämpfer sind zwar nicht original,
aber eigentlich okay. Aber warum ist einer rot-orange und der andere
dunkel-rot? Und auch unterschiedliche Sozius-Rasten werden, soweit ich
weiÃ, nicht serienmäÃig angebaut, auch nicht in Italien.
Der
Markenhändler mit Meisterwerkstatt meines Vertrauens bekommt von mir
eine E-Mail. Am nächsten Tag erreicht mich sein Anruf. Er entschuldigt
sich für seine Unaufmerksamkeit und will mir einen dunkelroten
StoÃdämpfer, zwei neue Kondensatoren und kurze Luftfilter schicken.
Zwei Tage später muss ich den Markenhändler mit Meisterwerkstatt meines
Leichtssinns erneut anrufen: âIch habe Ãl in den Motor füllen müssen,
weil dieser keines mehr hatte. Die Ãlpumpe fördert 100 ml/min. im
Leerlauf. Aber leider durch die Motorentlüftung nach drauÃen. Warum?" -
Aha, ich brauche eine Ãlabscheider-Dose von einer Le Mans, und ich
bekomme sie selbstverständlich per Post.
Der angepriesene
Originalzustand meiner V 50 III verblüfft mich zunehmend. Ich übe mich
in Geduld und habe vier Tage später die beiden Pakete da. Leider fehlen
die Luftfilter und Schellen und Schläuche für die Ãlabscheider-Dose.
Das ist ohne Löten und einem Gang zum Baumarkt nicht zu bewerkstelligen.
Nun habe ich doch genug von der Wurstelei. Zunächst bekommt der
Markenhändler meiner Leichtgläubigkeit eine Frist zur Nachbesserung
gesetzt. Das ist ihm aber wohl zu aufwändig und wir einigen uns auf die
Rückzahlung von 50 Euro - und ich suche mir vor Ort eine Werkstatt
meines Vertrauens (da ist es wieder, dieses Wort). Dort bestelle ich
einen Luftfilterkasten und baue ihn ein. Der darin enthaltene
Ãlabscheider tut seinen Dienst, und das Ãl bleibt da, wo es hingehört.
Der Weg zur nächsten Werkstatt ist aus eigener Kraft wieder möglich.
Meine Kinder erfinden inzwischen gerne Guzzi-Witze, und meine Frau hat
sich mittlerweile etwas kleines Japanisches ersteigert und fährt damit
sogar. Manchmal lächelt sie versonnen, wenn sie an unseren Motorrädern
vorbeigeht.
V50 Lesererfahrung (D)
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