Breva 1100 test, Adac, Fahrbericht aus ADAC motorradwelt 7/2005

Moto Guzzis Breva V 1100 soll das kränkelnde Traditionshaus endlich auf Erfolgskurs bringen.

 

Die Zeiten sind unruhig in Mandello del Lario am Comer See: Mitte Mai war zu hören, dass Moto Guzzi, seit 84 Jahren dort ansässig und damit einer der ältesten Motorradhersteller der Welt, vom derzeitigen Eigentümer Piaggio verkauft werden soll. An wen? Rätselraten. Ducati jedenfalls soll abgewunken haben. Keine Entspannung also, weder für die Mitarbeiter noch die Fans der Marke. In dieser unsicheren Phase kommt mit der Breva V 1100 ein rundum neues Motorrad zu ebenfalls verunsicherten Händlern � mit Qualitäten, welche die Maschine zum wirklichen Hoffnungsträger stempeln.

Auch die jüngste Guzzi verleugnet ihre Vergangenheit natürlich nicht: Der Motor ist zwar komplett neu, fußt aber auf traditionellem Konzept. Luftkühlung, zwei Ventile pro Zylinder, eine unten liegende Nockenwelle, Stößelstangen zur Ventilbetätigung � das kennt man von Moto Guzzi. So schwingt sich der 1064 Kubik große V2 zu einer Maximalleistung von 86 PS/63 kW bei strammen 7500 Touren auf und kann damit als ausreichend kräftig gelten. Das maximale Drehmoment von 85 Newtonmetern fällt leider erst bei 6800 Touren an, was eine gewisse Durchzugsschwäche im mittleren Drehzahlbereich zur Folge hat: Erst ab 5000 Umdrehungen spielt die Musik �fortissimo�. Die Drehfreudigkeit des V2 ist bemerkenswert ausgeprägt, Vibrationen glänzen durch Abwesenheit, die Abgasreinigung des Einspritz-Triebwerks ist sogar perfekt: Schon jetzt Euro 3-Norm! Seit jeher gehört ein Kardanantrieb zu einer Guzzi, und das ist erfreulicherweise auch bei der Breva der Fall. 

Erstmals wurden bei ihr Einarmschwinge und Wellenantrieb kombiniert, das Produkt heißt CARC und arbeitet erfreulich unauffällig. Auch das neue Sechsganggetriebe macht seine Sache gut. Zwar sind nahezu 250 Kilo Leergewicht nicht eben wenig, doch wirkt die Breva � einmal im Rollen � weit weniger gewichtig. Nicht zuletzt dank des breiten, gut geformten Lenkers. Auch den sehr guten Metzeler Roadtec-Z6-Reifen kann gute Handlichkeit attestiert werden. Der um vier Zentimeter näher ans Vorderrad gerückte Motor dürfte ebenfalls eine Rolle spielen. Das Fahrwerk bedarf allerdings insofern der Zuwendung, als Federn und Dämpfer sorgfältig auf das Gewicht der Besatzung eingestellt werden wollen, um seine Stabilität auch unter Beweis stellen zu können. Die Spitze von 210 km/h bleibt indes wegen des enormen Winddrucks eine theoretische Größe. Die neue, von Brembo stammende Bremsanlage ist sehr gut dosierbar und standfest, könnte allerdings ein wenig bissiger ausgelegt sein.  Schade, dass das angekündigte ABS wohl erst 2006 lieferbar ist.

Die Ausstattung der 10990 Euro kostenden Breva entspricht Roadsterstandard: Es wird nur das geliefert, was zum Fahren unbedingt nötig ist. Immerhin sind Hauptständer, Warnblink-Anlage, zwei Tageskilometer-Zähler, eine Restreichweiten-Anzeige und verstellbare Handhebel serienmäßig an Bord. Das Zubehörangebot umfasst eine Gepäckbrücke, diverse Gepäckbehältnisse, ein Windschild oder auch eine um 30 mm niedrigere Sitzbank. Das Beispiel aus Bayern macht offenbar Schule. Auf Wunsch kann aus der Breva also mit überschaubarem Aufwand und extra dafür entwickelten Teilen ein kompakter Tourer werden. 

Ohne Mehrpreis � und das ist im Falle der Breva vielleicht am wichtigsten � erhält der Fahrer mit dieser Guzzi ein Motorrad, das sich unkapriziös fährt und spontane Fahrfreude vermittelt. Ein Lächeln im Fahrergesicht ist insbesondere auf kurvenreichen Strecken praktisch garantiert, denn da beeindruckt die neue Elfhunderter mit ihrem handlichen Fahrwerk und ihrem sympathischen Charakter am meisten. Mit der Breva V 1100 steigen die Chancen der Guzzi-Werker auf eine hoffnungsvollere Zukunft deutlich.